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Monte dei Paschi: Entspricht Bankenrettung den Werten Europas?

Mittwoch, 25. Januar 2017

Monte dei Paschi: Entspricht Bankenrettung den Werten Europas?

Palazzo Monte dei Paschi by night. Fotocredit: I, Sailko [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or CC BY 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.5)], via Wikimedia Commons

Monte dei Paschi: Entspricht Bankenrettung den Werten Europas?

Schon wieder „Nie wieder!“

Von Teresa Arrieta und Christian Felber

 

2009, im Jahr nach dem großen Krach im Finanzsystem, war von allen Seiten beteuert worden: „Nie wieder“ dürfe eine Bank so groß sein, dass Steuergeld zu ihrer Rettung eingesetzt werden müsse, um eine gefährliche Kettenreaktion oder gar Kernschmelze auf den internationalen Finanzmärkten zu verhindern. Doch die Begrenzung der Größe von Banken ließ auf sich warten. Das zeigt auch die fragwürdige „Rettung“ der italienischen Monte dei Paschi Bank, dem ältesten Bankhaus der Welt, von den Italienern „Babbo Monte“ genannt, in Italien so omnipräsent wie bei uns Raiffeisen. Die guten Vorsätze gelten für „Papa Berg“ (aktuelle Bilanzsumme: 160 Milliarden Euro) nicht und die EU-Abwicklungsrichtlinie, welche die Schonung von Steuergeld zum Ziel hat, adelt die Steuerzahler*innen nun sogar zu den "rescuers of last resort" (Retter*innen der letzten Instanz), wenn das „Bail in“, das Mit-zur-Verantwortung-Ziehen der Eigentümer*innen und Gläubiger*innen, nicht ausreichen sollte.

Im Fall Monte dei Paschi will die italienische Regierung nicht einmal die Regeln der Abwicklungsrichtlinie anwenden, sondern sogar „vorbeugend“ Steuergeld in die marode Bank pumpen. Schon bisher hat Italien sieben Banken mit 24 Milliarden Euro oder 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung gerettet. Nun stellt sie weitere 20 Milliarden zur Verfügung, um den Finanzsektor – einmal mehr – zu stabilisieren, wie im vergangenen Dezember verlautbart wurde. Erster Nutznießer sind die privaten Eigentümer*innen und Gläubiger*innen von Monte dei Paschi, denen diese Kosten abgenommen und stattdessen den Steuerzahler*innen aufgebrummt werden. So funktioniert Umverteilung von unten nach oben.

Bankenrettung ist Werbung für Rechtspopulismus

Das Argument der italienischen Regierung lautet, dass sie Kleinsparer*innen retten wolle. Das ist wenig plausibel, denn die Finanznachrichtenagentur Bloomberg hat nachgerechnet, dass nur 5,4 Prozent der italienischen Haushalte Bankanleihen besitzen (Quelle: Handelsblatt 23.12.16 „Italienische Bankenrettung – etwas für Wohlhabende“). Darüber hinaus hat Italien nach dem Selbstmord eines geprellten Kleinanlegers bereits 2015 einen Solidaritätsfonds für diesen Zweck angelegt. Gerettet wird in diesem Fall also wieder einmal die Oberschicht. Würde es sich um eine freie Entscheidung Italiens handeln, wäre das schlimm genug und ein Bruch von EU-Regeln. Doch das rechtliche „Go“ kommt von der EU-Kommission, die eigentlich dafür zuständig sein sollte, dass Bankenrettungen mit Steuergeld gar nicht mehr vorkommen. „Nie wieder“ eben. Diese 20 Milliarden könnten weitaus sinnvoller eingesetzt werden: für die Europäische Sozialunion, die Verringerung der Ungleichheit und die Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen, vom Gesundheits- bis zum Bildungssystem. In Griechenland Löhne und Pensionen kürzen, in Mitteleuropa Sozialleistungen streichen und in Italien die Banken retten: Das ist nicht Werbung für Europa, sondern für Pegida, Trump und AfD.

Europäische Bankenunion im Zwielicht

Die Rettung von Monte dei Paschi wird außerdem einen unheilvollen Präzedenzfall schaffen, denn weitere Banken in Italien und in Südeuropa taumeln bereits. Der Europaparlamentarier Sven Giegold bezeichnet die Rettungspläne daher als „Feuerprobe“ für die europäische Bankenunion. Die Entscheidung Italiens und das grüne Licht der Kommission erschütterten das Vertrauen in die europäische Bankenunion, wenn nun deren Regeln „so unverhohlen gebrochen werden“.

Small enough to fail

Aber auch die regelkonforme Rettung mit stärkerer Einbindung der privaten Eigentümer*innen und Gläubiger*innen würde Steuergeld nicht schützen. Die Bankenunion sollte dringend reformiert werden. Ein erster konsequenter Schritt einer alternativen Finanzpolitik wäre die gesetzliche Garantie, dass kein Cent Steuergeld für die Stützung oder Rettung gewinnorientierter Banken aufgewendet wird. Nach einer Übergangsfrist müssten dafür alle Banken in der EU „small enough to fail“ sein. In einem zweiten Schritt sollte die EU die Größe von Banken beschränken: Anstatt Banken mit einer Bilanzsumme über 30 Milliarden Euro EU-weit zu beaufsichtigen, was die gewählte Strategie der EU-Bankenunion ist, wäre es klüger, Banken dieser Größenordnung gar nicht mehr zuzulassen – durch Festlegen einer maximalen Bilanzsumme. Die Obergrenze könnte mit 20, 30, 50 oder allerhöchstens 100 Milliarden Euro festgelegt werden. Eine Alternative dazu wären progressive Eigenkapital-Anforderungen, die mit der Bilanzsumme auf bis auf 100 Prozent ansteigen, zum Beispiel bei einer Bilanzsumme von 100 Milliarden Euro. Auch diese Variante würde die Aufblähung eines Finanzinstituts auf „systemrelevante Größe“ mitsamt Bail out durch die Steuerzahler*innen verhindern.

Die Werte Europas

Solche Politikentscheidungen würden bei den EU-Bürger*innen wohl auf breite Zustimmung stoßen, weil sie Sicherheit vermitteln: im Finanzsystem, in der Demokratie und in der Sozialpolitik. Weil jene Multimilliarden, die EU-Regierungen für Banken freihändig zur Verfügung stellen, in Zukunft in Armutsvermeidung, Verringerung der Ungleichheit und Erhöhung der Chancengleichheit investiert werden könnten, also in die eigentlichen Werte Europas. Sie wären ein wichtiger Beitrag zum sozialen Frieden in einer EU, deren Existenz wir heute immer mehr bedroht sehen.